- Info
Ramona Pellegrino
Università degli Studi di Genova
Dynamik des deutschen Wortschatzes in den Interviews des Israelkorpus. Didaktische Perspektiven / Dynamics of German vocabulary in the interviews of the Israelkorpus: didactic perspectives
Die narrativen Interviews des sog. Israelkorpus ermöglichen es, Einblicke in die Lebenswege der deutschsprachigen jüdischen Bevölkerung vor und nach der Emigration (vgl. Farges 2023, 26f.), aber auch in den damaligen Sprachgebrauch zu bekommen (vgl. u.a. Betten/Du-nour 2000; Betten 1995, 1996, 2014, 2016), was aus didaktischer Sicht äußerst wertvoll sein kann. Ein bislang nur sporadisch beachteter Aspekt in der lexikalischen Forschung zum Israelkorpus ist die Tatsache, dass einige, von den Sprecher*innen verwendete Begriffe sich auf Sachverhalte beziehen, die heutzutage anders benannt werden oder gar nicht mehr existieren (bzgl. Sprachverwendung in der NS-Zeit vgl. Kämper 2019). In diesem Zusammenhang bilden die Sprecher*innen, die in Österreich bzw. in Gebieten der ehemaligen Habsburgermonarchie geboren und/oder aufgewachsen sind, eine besonders interessante Untergruppe, da ihr Sprachgebrauch nicht nur Einsicht in eine ‚vergangene Welt‘, sondern auch in die Plurizentrizität des Deutschen (vgl. Ammon 1995; für den italienischen Kontext vgl. Zucchi 2016; zum Einfluss der Plurizentrizität auf die Fremdsprachendidaktik vgl. Utri 2018) gewähren kann. Die mit ihnen geführten Interviews sollen das Untersuchungskorpus meiner Forschungsarbeit bilden. Im Beitrag soll aus quantitativ-qualitativer Perspektive untersucht werden, was für Begriffe, die sich auf vergangene, evtl. nicht mehr existierende Gegenstände und Sachverhalte beziehen, im anhand der familiären Biografien erfassten Subkorpus vorkommen. Ausgangspunkt ist die Extraktion von Kollokationen mit „damals“, „früher sagte“ und „hieß“, da durch die ermittelten Mehrwortverbindungen eventuelle Selbstbeobachtungen der Sprecher*innen zu ihrem Sprachwandel zum Ausdruck kommen (vgl. Nencioni 1982; De Mauro 2006). Anschließend soll zwischen Archaismen – Ausdrücke, deren Gebrauchshäufigkeit abgenommen hat und die deshalb als ‚veraltet‘ wahrgenommen werden (vgl. Ludwig 1997) – und Historismen – Bezeichnungen für historische Objekte und Phänomene, die es heutzutage nicht mehr gibt (vgl. Ludwig 2000: 128) – unterschieden werden. Dabei sollen diachronische und diatopische Sprachbetrachtungen angestellt werden. Schließlich soll darüber reflektiert werden, wie die ausgewählten Schlüsselwörter an Schulen eingesetzt werden können, um (Sprach)geschichte zu betreiben und die Sensibilität der Schüler*innen für den Gebrauch der deutschen Sprache zu fördern. *** By analyzing the narrative interviews of the so-called Israelkorpus it is possible to gain a better understanding of the lives of German-speaking Jews before and after emigration (cf. Farges 2023, 26f.), but also into the language use of that time (cf. among others Betten/Du-nour 2000; Betten 1995, 1996, 2014, 2016). This can be valuable from a didactic perspective. One aspect of lexical research on the Israelkorpus that has so far received only sporadic attention is the fact that some of the terms used by the speakers refer to facts that are nowadays named differently, or no longer exist at all (with regard to language use in the Nazi era, cf. Kämper 2019). In this context, speakers who were born and/or grew up in Austria or in areas of the former Habsburg Monarchy form a particularly interesting subgroup as their language use can not only give insight into a ‘past world’, but also into the pluricentricity of German (cf. Ammon 1995; for the Italian context cf. Zucchi 2016; on the influence of pluricentricity on foreign language didactics cf. Utri 2018). The interviews conducted with them constitute the corpus of my research. In my presentation I intend to examine from a quantitative-qualitative perspective which terms occurring in my sub-corpus refer to past (possibly no longer existing) objects and circumstances. The starting point is the extraction of collocations with “at that time”, “used to say” and “was called”, as possible self-observations made by the speakers may be expressed through these multi-word compounds (cf. Nencioni 1982; De Mauro 2006). Subsequently, a distinction will be made between archaisms – expressions whose frequency of use has decreased, and which are therefore perceived as ‘obsolete’ (cf. Ludwig 1997) – and historicisms – designations for historical objects and phenomena that no longer exist today (cf. Ludwig 2000: 128). By so doing, diachronic and diatopic linguistic considerations will be made. Finally, I will reflect on how the selected key words can be used in schools to practice (language) history, and to promote pupils’ sensitivity for the use of the German language.